"Haben Sie Ziele im Leben?"
So oder so ähnlich formulierte die Heilpraktikerin für Psychotherapie die Frage, die mich, wie aus dem Nichts, mitten ins Herz traf. Ich saß vollkommen irritiert in dem Sessel, der gefühlt immer größer wurde, während ich immer mehr in mir zusammensackte. Hatte ich Ziele im Leben? War es wirklich mein einziges Ziel mich selbstständig zu machen und erfüllter im Job zu sein? War da nicht doch noch irgendwo mehr? Ein Wohneigentum? Familie? Kinder? 'Ne Weltreise? Irgendwas?
Aber in dem Moment war da nichts. Leere. Denn in meinem Leistungsdenken und der sich nach und nach einschleichenden Überlastung hatte ich mir nie Gedanken darüber gemacht, was ich in meinem Leben erreichen wollte. Ich sage euch, der Moment hat mich sehr getroffen. Mir wurde bewusst, wie sehr ich die letzten Wochen, Monate, vielleicht sogar Jahre im "Funktionieren" und im Überlebensmodus gefangen war. Und noch mehr traf es mich als ich verstand, dass ich ganz allein dafür verantwortlich war und mich selbst in diese Situation gebracht hatte.
Aber nach der Leere kam die Freiheit. Nach ein paar Tagen kam neben dem Ärger über die Heilpraktikerin, die absichtlich so eine Frage stellte, um mich bloßzustellen (logisch!) und neben der Traurigkeit darüber, dass ich keine Ziele für mich nennen konnte, die Erleichterung. Wenn ich diejenige war, die mich in diese Misere gebracht hatte, war auch ich diejenige, die mich dort wieder herausholen konnte. Freiheit. Es fühlte sich für mich nach Freiheit an als ich endlich erkannte, dass ich allein es war, die etwas in meinem Leben verändern konnte. Dass ich diejenige war, die dafür sorgen konnte, dass es mir wieder besser geht. Ich erkannte, dass ich selbst die Antworten in mir trug, die ich brauchte und dass niemand sonst sie mir hätte geben können. Ich erkannte meine Selbstverantwortung.
Ich musste einfach wieder eine Verbindung zwischen meinem Kopf und meinem Herzen herstellen. Denn über die Jahre hatte ich vergessen, meine eigenen Gefühle und meine innere Stimme wahrzunehmen. Ich war so sehr damit beschäftigt mein Leben kontrollieren zu wollen, dass mein Gehirn auf Hochtouren arbeitete und es nicht zuließ, dass Herz und Bauch sich bei Entscheidungsfindungen einschalteten. Ich kontrollierte. Und ich funktionierte. Bis zum totalen Systemabsturz. Nach einigen Versöhnungsgesprächen mit den Streitparteien Herz, Kopf und Bauch stand eines fest: von jetzt an wird miteinander gearbeitet und nicht länger gegeneinander.
Ich weiß, was ich brauche. Seit ich das für mich erkannt habe und sowohl meine Gedanken als auch meine Gefühle wahrnehme, kann ich mich ziemlich gut auf mich selbst verlassen. Ich weiß, dass ich meine Antwort für mich kenne. Ich weiß, dass ich für mein Denken und mein Handeln verantwortlich bin. Und ich weiß, dass die Heilpraktikerin mir nichts böses wollte - auch, wenn ich das damals zunächst so empfand, denn sie traf mich mit ihrer Frage direkt ins Herz und das tat weh.
Wie ist es bei dir? Sind Herz, Kopf und Bauch im Einklang oder kämpfen sie gegeneinander an? Vertraust du deiner Intuition?
Hab's fein, deine Ilaria 🤍